Gestern hat es den ganzen Tag geregnet und ich konnte mein Appartment erst am Nachmittag verlassen. Das heißt, ich habe bis jetzt noch nicht allzuviel von Beirut gesehen. Mein erster Eindruck ist allerdings etwas niederschmetternd, da die materiellen Folgen des Bürgerkrieges (1975-89/90) noch an allen Ecken sichtbar sind. Zerschossene Häuserfassaden und ausgebombte Ruinen sind selbst im Herzen Beiruts allgegenwärtig. Mittlerweile wurden immerhin ein paar Straßenzüge um den zentralen Place d' Etoille wiederaufgebaut, doch das Herz Beiruts, die Altstadt, welche die archäologischen Reste von 3500 Jahren Menschheitsgeschichte bewahrte, ist unwiederbringlich verloren. Leider konnte ich mir den Place d' Etoille, der das Wahrzeichen Beiruts, einen in der 20er Jahren von den Franzosen im Art Deco-Stil erbauten Uhrturm beherbergt, noch nicht anschauen, da das Gebiet gestern von der Armee abgesperrt war. Sicher habt ihr von der Demonstration der pro-syrischen Hizbollah-Anhänger gehört. Seit Wochen campieren Tausende von Menschen vor dem Parlament (direkt neben dem Place d'Etoille) und wollen einen Sturz der Regierung herbeiführen, bzw. mehr Ministerposten für ihre Partei (Details würden zu weit führen). Jedenfalls wurden von der Regierung Truppen zusammengezogen und an jeder größeren Kreuzung stehen Soldaten, die ein bisschen so wirken, als ob sie gar nicht wüssten, was Sie eigentlich da tun sollen Im schlimmsten Fall müssten Sie bei einem ausbrechenden Bürgerkrieg (so weit wird's wohl nicht kommen, keine Angst. Bis jetzt ist alles friedlich) auf ihre eigenen Landsleute schießen - für die meisten wohl eine unbehagliche Vorstellung. Jedenfalls gehören bewaffnete Menschen (und hin und wieder der ein oder andere Panzer), seien es Soldaten, Polizisten oder eine Vielzahl privater Sicherheitsdienste, zum Straßenbild dazu, aber das Leben in Beirut geht seinen normalen Gang und ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschen glauben, an der Schwelle zu einem neuen Bürgerkrieg zu stehen. Wie gesagt, so weit wirds (hoffentlich) nicht kommen.
Gefährlicher als all die Typen mit den Kalaschnikows ist jedenfalls der ganz normale Durchschnitts-Beiruter, der sich - so nett und zuvokommend er sonst auch sein mag -hinter dem Steuer eines (oft deutschen, weil Germany = good cars) Autos in eine rasende Wildsau vor dem Herrn (= Allah) verwandelt und Fußgänger als seinen natürlichen Feind betrachtet. Besonders lebensgefährlich wird es, wenn man eine Straße überqueren will, da hier grundsätzlich niemand und ich wiederhole, wirklich n i e m a n d den Blinker benutzt, was auch gar nicht funktionieren würde, da eine Hand immer an der Hupe ist und die andere Hand zum wilden gestikulieren und herumfuchteln benötigt wird. Aber auch auf dem Gehweg ist man nicht wirklich sicher - ich wäre gestern beinahe von einem Rollerfahrer erlegt worden. Um hier zu überleben, braucht man seeeehr gute Reflexe.
Noch was in eigener Sache: Am Montag beginnt meine Arbeit im Goethe-Institut und ich hoffe, dann auch endlich Leute kennen zu lernen, da mein Aufenthalt bis jetzt noch eine recht einsame Angelegenheit ist. Immerhin werde ich ab 1.2. in einer WG mit Studenten aus aller Welt leben, was sicher ganz lustig werden kann. Außerdem habe ich jetzt endlich ein Internetcafe gefunden, in dem ich mich problemlos (und gratis) in das wlan-Netz einloggen kann, juhuuu. Ist ein ganz schönes Fleckchen hier, sieht ein bisschen so aus, wie die arabische Version von dem Restaurant, wo alle in der Comedy-Serie Friends abhängen. Der Name ist (kleine Hommage an meinen Bandkollegen Alex und seine Freundin Zuzka) "de Prague".
Noch was zum Blog: Neue Bilder wird's spätestens am Montag geben, ich hoffe das Wetter spielt morgen mit und ich kann noch ein paar Schnappschüsse machen U N D: Als großer und omnipotenter Blog-Administrator ist es mir gestattet, die Spielregeln innerhalb dieses digitalen Raumes gottgleich nach Gutdünken zu verändern und auch nachträglich in meine eigene Schöpfung einzugreifen, was heißt: nun kann jeder ohne nervige Anmeldung anonyme Kommentare veröffentlichen. Das wollte ich eigentlich von Anfang an, aber irgendwas war falsch eingestellt. Falls wieder was nicht klappt, einfach mir mitteilen, auf Kritik wird prompt reagiert. Also bis spätestestens Montag mit einem bunten Strauß neuer Bilder und Eindrücke. Bis dahin gehabt euch wohl (und entschuldigt etwaige Rechtschreib- bzw. Tippfehler), aber aus Zeitgründen wird nix von dem, was ich hier veröffentliche gegengelesen, da würd ich ja morgen noch dasitzen.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen